Während der Coronakrise und der plötzlichen Umstellung auf Home Office stehen viele Unternehmen vor zahlreichen Herausforderungen hinsichtlich Effizienz und Produktivität. Gerade in diesen Zeiten kann die Arbeit mit agilen Methoden und dem agilen Projektmanagement dabei helfen, dass auch verteilte Teams weiter produktiv bleiben und das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren.
Wie das Arbeiten in verteilten Teams funktioniert
Wann spricht man eigentlich von verteilten Teams und was bedeutet das für die Zusammenarbeit? Eigentlich schon dann, wenn sich bereits ein Teammitglied dauerhaft nicht am gleichen Ort befindet. Dann braucht es nämlich zusätzliche Kanäle und Bemühungen sowie einen gemeinsamen Digital Workplace, um die Arbeit miteinander zu koordinieren und alle Beteiligten auf einem gleichen Informationsstand zu halten sowie in gleichem Maße in ein gemeinsames “Wir” zu integrieren. Also gilt: Sobald einer “verteilt” ist, sind alle verteilt.
Eine kontinuierliche und gute Kommunikation ist der Schlüssel zu einer anhaltend erfolgreichen Zusammenarbeit in einer agilen Organisation. Das gilt für jedes effektive Team, umso mehr hingegen für ein Miteinander über verschiedene Standorte hinweg. Und es betrifft auch den zwischenmenschlichen Austausch fernab der rein arbeitsrelevanten Themen.
Grundsätzlich können verteilte Teams genauso produktiv sein, wie ihre Pendants im gemeinsamen Teamraum. Nur wie lässt sich das bewerkstelligen, ohne einen einheitlichen Standort, gelegentliche Begegnungen zwischen Tür und Angel oder lockere Scherze in der Kaffeeküche?
Um dies zu erreichen, bedarf es eines hohen Maßes an Kommunikation und Transparenz in Kombination mit einem gemeinsamen agilen Mindset, anhaltender Disziplin und nicht zuletzt passenden Tools.
Innerhalb des Teams sollte man sich bspw. wann immer möglich, lieber per Videochat und in Gruppenchats austauschen, statt per E-Mail zu kommunizieren. Grundlegende Tipps, Tricks und Tools für ein erfolgreiches Gelingen der Kommunikation im Home Office und in verteilten Teams, basierend auf unseren Praxiserfahrungen, finden Sie in unserem Whitepaper “Digital Workplace Insights - Digitales Arbeiten in verteilten Teams und im Home Office”. Scrum als Rahmenwerk für agiles Projektmanagement, mit seinen Prinzipien, Rollen, Zeremonien und Artefakten, bietet darüber hinaus viele wertvolle Mechanismen, um den Zustand des Arbeitens in verteilten Teams zu strukturieren und die räumliche Distanz zu überbrücken.
Vier grundlegende Werte für agiles Arbeiten
Der Begriff der Agilität wurde 2001 im Manifest für Agile Softwareentwicklung geprägt, in dem die folgenden grundlegenden Werte beschrieben sind. Wobei die Werte auf der rechten Seite durchaus wichtig sind, nur eben nicht wichtiger als diejenigen auf der linken Seite und im Zweifelsfalle ist letzteren Vorrang zu geben.
- Individuen und Interaktionen - haben Vorrang vor Prozessen und Werkzeugen.
- Funktionierende Software - hat Vorrang vor umfassender Dokumentation.
- Zusammenarbeit mit dem Kunden - hat Vorrang vor Vertragsverhandlung.
- Reagieren auf Veränderung - hat Vorrang vor dem Befolgen eines Plans.
Individuen und Interaktionen - haben Vorrang vor Prozessen und Werkzeugen
Der Erfolg und Fortschritt eines Projektes steht und fällt mit dem Projektteam. Statt Projektaufgaben einfach nur abzuarbeiten, muss dieses motiviert und lösungsorientiert vorgehen und ein kreatives Miteinander in den Vordergrund stellen. Außerdem sollte das Projektteam in stetigem Austausch stehen und mit dem Willen zur kontinuierlichen Optimierung zusammenarbeiten. Die Aufgabe des Management ist es, die entsprechende Arbeitsumgebung für eine solche Zusammenarbeit zu schaffen und eventuell bestehende Barrieren wie eine räumliche Trennung zu beseitigen.
Dies sind Grundsätze die sich auch im Prinzip der Digital Leadership wiederfinden und für verteilte Teams besonders gelten. Regelmäßiger Austausch, offene Kommunikation und ein generelles Team-Denken sind auch in verteilten Setups Schlüssel zum Erfolg.
Funktionierende Software - hat Vorrang vor umfassender Dokumentation.
Die Entwicklung einer Software (oder auch jedes anderen Produkts) sollte in kleinen Teilaspekten erfolgen, die dann Stück für Stück in kurzen Phasen erarbeitet und getestet werden. Funktioniert alles wie gedacht, geht man zum nächsten Schritt über. Gibt es Schwierigkeiten, versucht man diese zu beheben oder kommt zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auf den betreffenden Teilaspekt zurück. Uneinigkeiten und Probleme lassen sich zudem besser durch Experimente und den Austausch im Team – also auf Augenhöhe – lösen, statt durch Diskussionen mit einem übergeordneten Management. In der Praxis entsteht so funktionsfähige und potentiell auslieferbare Software. Die Dokumentation wird hingegen auf das wirklich Nötigste reduziert.
Auch hier gilt: kontinuierliche Lieferung und Arbeiten in iterativen und inkrementellen Schritten sorgt auch für verteilte Organisationen für eine Risikominimierung, regelmäßige Reflexion und ein ständiges gemeinsames Lernen.
Zusammenarbeit mit dem Kunden - hat Vorrang vor Vertragsverhandlung.
Die Zusammenarbeit mit dem letztendlichen Nutzer der Software ist von größter Bedeutung für den Erfolg des Entwicklungsprojekts. Permanente Tests, Spezifikationen von Anforderungen und Marktanalysen helfen dabei, den Fokus zu behalten und weder Zeit noch Kosten aus den Augen zu verlieren. So können bereits in frühen Phasen eines Projektes die Anwender einbezogen und Optimierungspotentiale erkannt werden. Das gilt auch für die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.
Beide Seiten müssen sich im Falle permanenter Verteilung auf Kommunikation und Abstimmung über digitale Kanäle einstellen. Auch wenn nicht alle Rahmenbedingungen immer optimal sind, lässt sich der wesentliche Kern auch per Videokonferenz oder Telefonat klären.
Reagieren auf Veränderung - hat Vorrang vor dem Befolgen eines Plans.
Konventionelle Entwicklungsmethoden sind mit hohem zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden, da sie darauf ausgerichtet sind, dass das Projektteam zwar neue Innovationen generiert, hierfür allerdings unveränderte Abläufe vollführt. In der Wissenschaft weiß man längst, dass selbst eine noch so späte Erkenntnis und Richtungsänderungen hilfreich sind, um etwas Neues zu lernen oder zu erschaffen. Speziell bei der Software-Entwicklung bedeutet dies, näher an den aktuellen Anforderungen des Marktes und der Kunden zu bleiben, statt eine Software zu launchen, die zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr zeitgemäß ist.
Flexibilität und Reaktion auf Veränderung sind für verteilte Teams ebenso möglich. Guter Teamspirit und Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeit des Teams sind allerdings Voraussetzung, die auch im Projektmanagement eingefordert werden müssen.
Agilität durch nachvollziehbare Strukturen in Scrum
Scrum ist eines der beliebtesten agilen Vorgehensmodelle, dass sich an eben diesen vier agilen Werten und den dazugehörenden 12 Prinzipien des agilen Manifests orientiert. Das Rahmenwerk ermöglicht es sehr schnell, Arbeitsabläufe und Geschäftsvorgänge transparent zu gestalten und mit hoher Flexibilität für alle Beteiligten komplexe Produkte zu entwickelt.
Scrum wurde von Sutherland und Schwaber entwickelt und fokussiert in erster Linie eine nachvollziehbare organisatorische Struktur. Der Scrum Master ist Organisator, Moderator und Prozessberater im Team, er vermittelt die agilen Grundlagen und hält das Projekt in Bezug auf die richtige Anwendung des Rahmenwerks auf Kurs. Dies gilt für verteilte Setups ebenso wie für Vor-Ort-Teams.
Egal, ob ein eigenes Projekt für einen Kunden entwickelt wird, der Product Owner vertritt als Marktexperte die Anforderungsseite, definiert das “Was“ der Produktumsetzung, priorisiert die Aufgaben (sogenannte User Stories) und prüft die Umsetzung hinsichtlich der geforderten Funktionalität, Usability, Qualität und weiteren Aspekten. Dabei agiert er ca. 50% seiner Zeit mit dem Team und 50% mit Kunden und Stakeholdern. Diese Kommunikation muss in verteilten Setups häufig digital erfolgen. Entsprechend müssen sich alle Beteiligten auf diese Kommunikationskanäle einlassen und ihre Defizite überbrücken.
Die Umsetzung erfolgt in Scrum in kleinen Phasen (Sprints), um dem Ziel eines marktfähigen Produkts schrittweise, zum Beispiel User Story für User Story, näher zu kommen und die bisherigen Ergebnisse immer wieder zu reflektieren. Dazu gibt es regelmäßige Meetings und Retrospektiven, um in kurzen Abständen Feedback zu generieren und die weiteren Schritte zu planen. Diese Abstimmungsrunden sind in verteilten Teams ebenfalls vorzusehen. In der Regel sollte dies über wiederkehrende Videokonferenzen nach festgelegten Terminen geschehen, an denen alle Teammitglieder teilnehmen können.
Das Entwicklungsteam arbeitet zudem funktionsübergreifend und selbststeuernd. Es definiert das “Wie“ der Umsetzung und besitzt die notwendige Autonomie, um das Ziel zum Ende des Sprints erfolgreich realisieren zu können. Diese Autonomie gilt es auch in verteilt arbeitenden Projektkonstellationen zu erhalten. Häufig wünscht sich das Management zusätzliche Reportings und Eingriffsmöglichkeiten, wenn Teammitglieder nicht vor Ort “greifbar” sind. Diesem Impuls sollte unbedingt widerstanden werden, da die Autonomie des Teams ein wesentlicher Wert agiler Arbeit ist. Vertrauen und Unterstützung sowie laterale Führung sind hier Autorität und Kontrolle unbedingt vorzuziehen.
Struktur & Kommunikation in verteilten Teams durch Scrum-Zeremonien
Die in Scrum vorgegebenen produktiven, zielorientierten Meetings (sogenannte Zeremonien) geben der Projektarbeit auch bei verteilt arbeitenden Kollegen ein hohes Maß an Struktur und zielen auf effektiven Austausch ab. Die richtige Grundausstattung, eine bedachte zeitliche Koordination und hilfreiche Tools helfen, den fehlenden Face-to-Face-Austausch zu kompensieren.
Das zentrale Ereignis der Teamarbeit im Scrum Zyklus ist der Sprint. Die Länge der aufeinanderfolgenden Sprints ist immer gleich, wobei zwei, drei oder vier Wochen eine gängige Sprintdauer sind. Zu Beginn wird ein Sprint Planning abgehalten, in dem sich das Team auf die Arbeitspakete verständigt, die innerhalb der vereinbarten Sprintdauer zu erledigen sind.
Während des Sprints hält das Team täglich ein kurzes, lediglich 15-minütiges Meeting ab. Das Daily Standup Meeting (auch geläufig als “Daily Standup” oder “Daily Scrum”) dient der gemeinsamen Ausrichtung. Was wurde in den letzten 24 Stunden im Hinblick auf das Sprintziel erreicht? Was sind die Aufgaben des Tages? Welche Hindernisse müssen gegebenenfalls aus dem Weg geräumt werden? Dieses Standup ist unbedingt auch im Home Office beizubehalten, weil sich nur dadurch eine gute Synchronisation des verteilten Teams erreichen lässt.
Am Ende des Sprints werden die Ergebnisse im Sprint Review den Stakeholdern vorgestellt. Während für das Sprint Review in der Regel auch die Stakeholder des Projektes über digitale Tools eingebunden werden müssen und sich daraus ab und an Schwierigkeiten ergeben, bleibt die Retrospektive als internes Team-Meeting relativ gut darstellbar. Sie ist eine nicht zu unterschätzende Scrum Zeremonie mit dem Ziel, die Zusammenarbeit kontinuierlich zu verbessern und dafür geeignete Wege zu finden. Wenn auch deutlich anspruchsvoller in der Umsetzung, so ist doch gerade für verteilte Teams die Retrospektive enorm wichtig, um die Zusammenarbeit über verschiedene Standorte hinweg zu verbessern. Viele Retro-Formate lassen sich mit etwas Geschick und Wille auch digital und für verteiltes Arbeiten aufbereiten.
Transparenz, Backlog und Priorisierung
Eine größtmögliche Transparenz ist enorm wichtig für verteilte Teams, um auch ohne tägliches Zusammentreffen in Kaffeeküche und Büroflur die Arbeitsprozesse einsehen zu können und bestmöglich aufeinander abzustimmen. Nur so kann ein Gesamtüberblick und maximale Effizienz für das Projekt erlangt werden.
Um den aktuellen Stand und Fortschritt hin zum gemeinsam vereinbarten Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, empfiehlt sich der Einsatz von digitalen Boards und Projektmanagement-Tools wie ActiveCollab, Jira oder Trello.
Scrum sieht hier außerdem verschiedene Artefakte vor, um das Projekt mit all seinen Einzelaufgaben zu strukturieren und orientiert am größtmöglichen Kundennutzen zu Priorisieren. Im für alle einsehbaren Product Backlog werden die Anforderungen (sogenannte Product Backlog Items) gesammelt, die sich über die gesamte Laufzeit ergeben und zur Erreichung des Projektziels erfüllt werden müssen. Jeder darf Einträge hinzufügen. In welcher Reihenfolge diese abgearbeitet werden sollen, entscheidet der Product Owner. An digitalen Boards lassen sich auch für verteilte Teams ständig alle Informationen transparent einsehen und miteinander jederzeit pflegen.
Bei der Planung des nächsten Sprints einigt sich das Scrum Team auf eine maximale Anzahl von Aufgaben, die oberste Priorität haben. Diese werden dann in den Sprint Backlog übernommen und innerhalb der vereinbarten Sprintdauer abgearbeitet. Jedes Backlog Item muss dabei ausreichend klar formuliert sein und sollte bereits alle wichtigen Fragen beantworten, die zur Erledigung der Aufgabe nötig sind. Für verteilte Teams bedeutet dies, dass trotz oder gerade wegen der räumlichen Distanz eine gemeinsame Prioritätensetzung und ein gemeinsames Ziel für die nächste Iteration klar formuliert wird. Alle Teammitglieder sind involviert und müssen sich im Sinne der Zielerreichung engagieren.
Unser Fazit für Scrum in verteilten Teams
Es gibt zahlreiche Gründe dafür, warum ein Projektteam nicht zusammen an einem Standort arbeiten kann. Das muss kein Hindernis sein! Ein strukturiertes und effizientes Zusammenarbeiten kann auch sehr gut für verteilte Teams und Home Office funktionieren. Ein offenes und vertrauensvolles Miteinander, regelmäßiger Austausch, offene Kommunikation und ein generelles Team-Denken sind der Schlüssel zum Erfolg. Lassen sich alle Beteiligten auf die Kommunikation und Abstimmung über digitale Kanäle und Boards ein, können alle Informationen ständig transparent eingesehen und miteinander jederzeit gepflegt werden.
Agiles Projektmanagement orientiert am Scrum-Rahmenwerk kann für die jeweiligen Bedingungen eines verteilten Setups angepasst werden und bietet wertvolle Mechanismen zur Strukturierung und Überbrückung räumlicher Distanz.
Wir setzen beim agilen Projektmanagement auf unsere Methodenkompetenz und unterstützen zudem bei der Ausbildung einer agilen Organisation. In unserem Whitepaper "The Art of Agile" stellen wir einen ganzheitlichen agilen Ansatz für die Praxis vor.
Wir beraten Sie gerne bei der Implementierung agiler Methoden und dem Training agiler Teams - kontaktieren Sie uns!