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Digitales Neuland – Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werden

Glaubt man den Aussagen von Thomas Becker und Carsten Knop, die sie in ihrem 2015 erschienenen Buch „Digitales Neuland – Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werden“ veröffentlicht haben, dann sieht es für den Standort Deutschland und seine großen Konzerne keinesfalls düster aus, wenn es um die Digitalisierung und die vierte industrielle Revolution geht. Smart Data, Digital Enterprise und Cloud Computing sind demnach Begriffe, die längst bei Unternehmen der Automobilbranche, bei Banken, großen Versandhäusern oder Technologiekonzernen angekommen sein sollen. Die großen Innovationen kommen jedoch größtenteils aus Übersee. Kann das also stimmen?

Vorstandsvorsitzende, Familienunternehmer, Wissenschaftler und CEOs von Siemens, Otto, Daimler und der Deutschen Telekom bis zur TU Darmstadt oder der TU München: Mehr als 10 hochrangige Entscheider haben Thomas Becker und Carsten Knop innerhalb von 13 Kapiteln interviewt und sie um Einblicke in ihre Branche und Empfehlungen für den Umgang mit der Industrie 4.0 gebeten. Gleichzeitig sollte auch beantwortet werden, wo Deutschland im internationalen Digitalisierungswettrennen steht und wie die Zukunft der deutschen Wirtschaft aussieht bzw. welche Chancen und Risiken sich aus der Digitalisierung ergeben.

Fangen wir mit den Autoren an. Thomas Becker ist Partner von Russell Reynolds Associates und kann auf mehr als 20 Jahre Erfahrung als Personalberater zurückblicken. Carsten Knop ist Redakteur der FAZ und Autor mehrerer Bücher zu den Themen digitale Unternehmen und digitales Management. Beide sind unter anderem durch ihre langjährige Berufserfahrung Experten für die digitale Transformation.

Zusammen haben sie das Buch aus einer einfachen Fragestellung heraus geschrieben: Wie digital sind die Vorstände deutscher Konzerne? Es soll die Wichtigkeit der Thematik unterstreichen und Personen in leitenden Positionen die Möglichkeit geben, zu zeigen, wie die deutsche Wirtschaft das Thema angeht.

Die Welt verändert sich, das stellen auch Knop und Becker innerhalb des ersten Kapitels fest. Die Digitalisierung beeinflusst unseren Lebensalltag, unsere Art einzukaufen, zu kommunizieren und unterwegs zu sein. Deutschland geht es soweit gut, es darf sich aber nicht auf den Wohlstand verlassen, den es aus den vorherigen industriellen Revolutionen geschöpft hat. Während in den USA am laufenden Band neue Ideen durch Risikokapitalgeber unterstützt werden, wird hier viel über neue Normen und politische Rahmenbedingungen diskutiert. Akuter Handlungsdruck? Fehlanzeige.

Wie beispielsweise die Entwicklungschancen des Internets der Dinge aussehen, verdeutlichen Knop und Becker anhand der Studie „Winning with the Industrial Internet of Things“ von Accenture. In den USA werden Investitionen in das Internet der Dinge bis 2030 voraussichtlich 6,1 Bio. Dollar zum kumulativen Bruttoinlandsprodukt beitragen. Sie geben jedoch auch zu, dass diese Zahlen keinesfalls sicher sind. Laut einer Befragung von globalen Unternehmen innerhalb der Studie zum Internet der Dinge haben 73% keine konkreten Pläne und nur 7% verfügen über eine umfassende digitale Strategie. Kostenreduktion und Effizienzsteigerung der Prozesse stehen für sie im Vordergrund. Das eigentliche Potential, nämlich die Nutzung von „as a Service“ Angeboten und maßgeschneiderten Produkten, Dienstleistungen und deren Kombination sowie innovative digitale Geschäftsmodelle, ist für die meisten Unternehmen noch nicht greif- und realisierbar.

Entscheidend für diese Entwicklung ist auch die Politik. Innerhalb der EU muss laut den Autoren eine gemeinsame Strategie gefunden werden, damit man den Vorreitern aus Amerika und Asien etwas entgegensetzen kann. Hier wird auch klar, dass das Thema Datenschutz häufig ein kompliziertes Problem darstellt und Unternehmen die Folgen einer mangelhaften Umsetzung nur schwer einschätzen können. Was ist also zu tun? Statt regionalen oder nationalen Lösungen müssen großflächige Entscheidungen getroffen werden, damit nicht das schwächste Glied als Tor zur europäischen Datenhoheit von außereuropäischen Unternehmen missbraucht wird. Bis auf eine Forderung nach mehr Transparenz sind konkrete Lösungsvorschläge jedoch nicht vorhanden.

Natürlich werden auch bestimmte Kompetenzen erforderlich, wenn es um die digitale Transformation geht. Knop und Becker bezeichnen die aktuelle Managergeneration als „Half Digital Natives“, unter der CEOs mit ausgeprägter Digitalkompetenz eher Mangelware sind. Dabei müssen die Revolutionäre von heute Intellekt, Durchsetzungsstärke, Mut, Unabhängigkeit, Führung, Aggressivität und Empathie miteinander vereinen. Klingt anspruchsvoll? Ist es auch. Ihrer Meinung nach gesellt sich zur Bedeutung des IQ und EQ zusätzlich der DQ, der Digital Quotient. Natürlich könnten wir für Busfahrer auch einen Mobile Quotient entwickeln oder für Landwirte den Biological Quotient. Ob diese Kennzahlen in einer Zeit, die von Schnelllebigkeit und Wandel geprägt ist, sinnvoll erscheinen, darf jedoch stark bezweifelt werden.

Im Vergleich zu den USA weisen deutsche und europäische Unternehmen in Bezug auf diese digitale Expertise jedoch erheblichen Nachholbedarf auf. Nur ein Prozent der Non-Executive Directors (NEDs) in europäischen Aufsichtsräten sind demnach Digitalexperten im Vergleich zu 24% der amerikanischen Fortune-100-Konzerne mit sogar mindestens zwei Digital NEDs.

Woran das liegt? Zum einen an der langjährigen Vorreiterrolle der US-amerikanischen Technologie- und Internetkonzerne und ihrer Innovationskraft sowie dem fehlenden Talentpool eines Silicon Valleys in Europa. Es ist offensichtlich, dass die Behandlung des Themas Digitalisierung in Deutschland einer gravierenden Veränderung bedarf.

Europäische Medienhäuser im Zugzwang

Was die Digitalisierung für die einzelnen Branchen im Speziellen bedeutet, wird im Buch zunächst anhand der Medienbranche und dem Chef des Schweizer Medienkonzerns Ringier (Cicero, Blick, Cash) verdeutlicht. Für Marc Walder sind amerikanische Medienkonzerne den Unternehmen in Europa mindestens zwei Jahre voraus. Konkret benennt er fünf kritische und erfolgsentscheidende Faktoren, die europäische Medienhäuser nicht konsequent umsetzen: mobilen Zugriff, die Einbindung sozialer Medien, Videoformate und kreative Werbung sowie im Allgemeinen die Investition in moderne Technologie. Gleichzeitig unterstreicht er das Problem des Fachkräftemangels in Europa. Kompetente Leute für die Betreuung der sozialen Netzwerke und Videoplattformen sowie deren Analyse zu finden, scheint nicht so einfach. Trotz klarer Vorstellungen in Bezug auf die internen Prozesse bleibt er beim Geschäftsmodell schwammig. Wie lässt sich mit den digitalen Gütern Geld verdienen? Eher klassisch: Durch Werbung und die Inhalte selbst. Er sieht entscheidende Wettbewerbsvorteile in der Individualisierung der Inhalte und einer hohen Benutzerfreundlichkeit der Angebote.

Seine letztendliche Forderung an die europäischen Medienhäuser: Mehr investieren! Denn das rasende Tempo amerikanischer Wettbewerber wie Buzzfeed oder Huffington Post zeigt, dass der Zug der Revolution womöglich schon abgefahren ist. In der Medienbranche gibt es demnach kein Kopf an Kopf Rennen mehr, sondern, wenn überhaupt, eine Aufholjagd.       

Schauen wir uns ergänzend zu Becker und Knop Formate wie Netflix, Spotify und Co. an, dann wird ersichtlich, dass dies nicht nur auf Printmedien zutrifft. Neben „First-Mover“ Vorteilen von vielen außereuropäischen Portalen verbindet z.B. Amazon das Streaming und Flatrates von Musik, Videos und auch Büchern innerhalb eines Portals. Beängstigend ist in der digitalen Welt neben Netzwerkeffekten letztendlich auch die Erkenntnis, dass der Gewinner meist alles bekommt. Da digitale Angebote global ohne Qualitätsverluste und mit niedrigen zusätzlichen Kosten vertrieben werden, lohnt es sich für Kunden höchstens aufgrund des Preises, qualitativ schlechtere Angebote wahrzunehmen. Ob ein Aufholen in diesen Bereichen überhaupt machbar ist, zeigt möglicherweise die aktuelle Entwicklung des Entertainment-Portals Juke. Die deutsche Media-Saturn-Holding GmbH begibt sich mit diesem Angebot in den direkten Wettbewerb zu Amazon Instant Video und Co. Auch, wenn es vielleicht schon zu spät ist: Sie überlassen den Wettbewerbern aus Übersee nicht kampflos das Feld.

Mobile Gesundheitsüberwachung auf dem Vormarsch

In der Gesundheitswirtschaft steht der Wandel laut den Autoren erst noch bevor. E-Health heißt das Zauberwort, und es verspricht enormes Wachstum für die Branche. Universelle Sensoren, die jeder Benutzer eines Smartphones bei sich hat, werden hierbei für die Beobachtung, das Messen und resultierend die Verbesserung der eigenen Gesundheit verwendet. Besitzer weltweit können mit ihrer Hilfe problemlos an medizinischen Forschungen teilnehmen. Apple stellt mit dem ResearchKit eine Open-Source-Softwareumgebung zur Verfügung, die für die Analyse von Asthma, Brustkrebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten oder auch Parkinson durch spezielle Apps von Drittherstellern eingesetzt werden kann. Woher die Apps kommen? Natürlich aus den USA. Gerade mit sensiblen und personenbezogenen Daten gestaltet sich die Arbeit in Deutschland schwer. Ein Grund, warum auch in dieser Branche die amerikanischen Unternehmer die Nase vorn haben.

Doch auch ein deutscher Technologiekonzern ist mit einem seiner Teilgeschäfte Vertreter der Medizintechnik. Ein Unternehmen, das durch seine 348.000 Mitarbeiter und 75,6 Mrd. € Umsatz im Jahr 2015 zu den 100 größten Unternehmen weltweit zählt: Die Siemens AG. Für Joe Kaeser, den Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, werden sich vier Schlüsselbranchen entscheidend verändern. Die Energiebranche durch eine dezentrale Stromversorgung, das Infrastrukturgeschäft durch flexibel reagierende und automatisierte Systeme, die Medizintechnik durch umfassende und vernetzte Patientendaten sowie die industrielle Produktion mit Hilfe der Industrie 4.0 und der Verschmelzung der digitalen und realen Welt.            

Kann Siemens sich an diesem Wandel beteiligen?

Ja, überraschenderweise sogar mit einigen konkreten Projekten.

Erst im letzten Jahr hat Siemens das Tochterunternehmen Siemens Healthcare verselbstständigt. Eines ihrer Hauptgeschäftsfelder sind die bildgebenden Verfahren der Medizintechnik, zu denen Röntgensysteme, Computertomographen, Kernspintomographen oder Positronen-Emissions-Tomographen gehören. Laut Kaeser kann die Digitalisierung hier für bedeutende Verbesserungen sorgen und es gibt bereits Ansätze, wie sich die Datenmengen noch effektiver nutzen lassen. Software kann Radiologen unterstützen, indem sie MRT-Bilder oder andere Aufnahmen mit Krankheitsmustern und Daten von anderen Patienten vergleicht. Weiterhin können Ärzte mit digitalen Anwendungen Bilder, Diagnosen oder Befunde anonymisiert und unmittelbar mit Kollegen vor Ort oder Spezialisten weltweit teilen. Das spart nicht nur Zeit und Kosten, sondern verbessert auch die Qualität der Diagnose.

In Riad baut Siemens zudem fahrerlose U-Bahnsysteme auf. Durch Sensoren, deren Vernetzung und moderne Software kann je nach Passagieraufkommen die Frequenz des öffentlichen Verkehrsmittels angepasst werden. Das Resultat sind dabei nicht nur weniger überfüllte Züge zu den Stoßzeiten, bedingt durch eine bis zu 50% höhere Taktfrequenz, sondern auch Energieeinsparungen von 15% und nicht zuletzt die pünktlichere Ankunft und Abfahrt. Ein echter Mehrwert also für den Kunden.

Was Kaeser verschweigt? Industrie 4.0 ist in einem großen Konzern nicht so einfach umzusetzen. Konkretere Probleme als IT- und Software-Know-how, fundierte Hardware- und Datenanalytik-Kenntnisse sowie ein tiefes Branchen- und Prozessverständnis nennt er nicht. Seiner Meinung nach besitzt Siemens diese Kompetenzen und erreicht dadurch signifikante Wettbewerbsvorteile: Verkürzte Time-to-Market, höhere Flexibilität und individuelle Produkte sowie mehr Energie- und Ressourceneffizienz. 

Innerhalb des Elektronikwerks in Amberg hat Siemens diese Möglichkeiten bereits realisiert. An dem Standort können Produkte ihre Fertigung zum Großteil selbst steuern und die Vernetzung hat geholfen, Lieferanten einzubinden sowie Produktionsfehler und Energiekosten zu minimieren. Das 1948 gebaute Werk wurde mehrmals, darunter auch 1991, umfassend digitalisiert. Obwohl sich seitdem wenig optisch verändert hat, wurde das Produktionsvolumen seit 1989 versiebenfacht und die defects per million (dpm) von 550 dpm auf 11 dpm reduziert: Eine weltweit unübertroffen niedrige Fehlerquote.

Wenn sich die USA durch ihre Technologie- und Innovationsfähigkeiten auszeichnen, wo liegen dann Deutschlands Stärken? Laut Kaeser bei der Leistungsfähigkeit der Industrie und der breiten industriellen Basis. Der Anteil der Industrie am deutschen BIP ist mit 25,5% (2013) im internationalen Vergleich besonders hoch. Innovative Kleinunternehmen und Mittelständler, die sogenannten Hidden Champions, bilden zudem das einmalige Grundgerüst der deutschen Wirtschaft. Sie verfügen über fundiertes Branchenwissen, großes Anwendungs-Know-how und sind Innovationsführer für Automatisierung, Energietechnik, Medizintechnik und weitere Bereiche. Was Kaeser deutschen Unternehmen ans Herz legt? Investitionen in die Industrie 4.0. Wie Walder sieht er Deutschlands Chance im Einsatz neuer Technologien.     

Zum Revolutionär mit weiteren konkreten Plänen und Zielen wird Kaeser im Buch allerdings nicht. Trotzdem hat er keine Angst vor der IT-Branche aus den USA und sieht ihre Stärken in Standard-IT-Lösungen wie Datenbanken und Suchmaschinen sowie ihrer Innovationskraft und der Fähigkeit, den Rohstoff der Daten zu gewinnen und zu verwerten. Um aus Big Data sogenannte Smart Data zu machen, brauchen Unternehmen jedoch neben den Daten auch technisches Verständnis, um beide Welten zu kombinieren. Siemens konzentriert sich auf branchenspezifische Technologien und vertikale Software, die an die speziellen Bedürfnisse jeder Industriebranche angepasst ist und hier Lösungen liefern soll.

Digitalisierung in der Automobilbranche nimmt Fahrt auf

Industrie 4.0 spielt auch in der Automobilbranche und für Dieter Zetsche, den Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, eine wichtige Rolle. Sie wird nicht nur das Entwickeln, Planen und Bauen von Fahrzeugen grundlegend verändern, sondern auch die Art des Kundenkontakts. Bei der Produktion wird der Premiumhersteller bei bestimmten Bauteilen die Anpassungsfähigkeit des 3D-Drucks nutzen, was vor allem der steigenden Angebotsvielfalt zu Gute kommt. Denn Daimler setzt auf Individualität, da nicht nur Unterschiede zwischen einzelnen Ländern, sondern auch den jeweiligen Kunden bestehen.

Die Smart Factory hält, wie bei Siemens, auch bei Mercedes-Benz Einzug. Abläufe in den Werken steuern sich zunehmend selbst, die globale Zusammenarbeit wächst durch neue Online-Kollaborationssoftware und Zulieferer werden mit der Produktion vernetzt und können Probleme erkennen, bevor sie eintreten. Dazu kommt ein digitales Abbild des Produktionsprozesses, um Veränderungsszenarien virtuell durchspielen und Fehler reduzieren zu können. Das Schlüsselwort in diesem Kontext? Wandlungsfähigkeit. Um auf Kundenanforderungen und Marktschwankungen schnell und genau reagieren zu können, müssen Systeme und Produktionsprozesse flexibel werden.

Zukunftsmusik? Keinesfalls. Beim Mercedes-Benz Werk in Rastatt wurden Prozesse bereits optimiert und ein so genanntes Objekt-gekoppeltes Montage-System kommt zum Einsatz. Roboter bewegen sich dort selbstständig an das Band, an dem sie gebraucht werden. Dabei muss die Produktionsstrecke weder anhalten noch an neue Produktvarianten angepasst werden.  

Zetsche unterstreicht die Innovationsstärke von Daimler außerdem mit dem weltweit ersten Einsatz der Mensch-Roboter-Kooperation. Dabei führen Menschen und Roboter an den Produktionslinien gemeinsam Arbeitsschritte, wie z.B. das Anbringen des Fahrzeughimmels, aus. Die kognitive Überlegenheit des Mitarbeiters lässt sich mit der Kraft, Ausdauer und Zuverlässigkeit des Roboters kombinieren und erhöht die Qualität und Produktivität. Möglich wird dies durch integrierte Sicherheitssensoren. Zetsche nennt weiterhin sogar detaillierte Projekte zur Förderung der vernetzten Automobilproduktion. Mit dem Programm ARENA 2036 (Active Research Environment for the Next Generation of Automobiles) will der Hersteller mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung diese Zukunftsthemen vorantreiben. Dabei kann man sich auch den Autokauf im Internet vorstellen und bietet daher seit 2013 in Hamburg den Vertrieb von vorkonfigurierten Neufahrzeugen über das Internet an. Mercedes erkannte parallel dazu das Potential von Carsharing sehr früh und wurde mit der Marke car2go vom Autohersteller zum Mobilitätsdienstleister. Sie haben eine starke Marke mit ihrem technischen Know-how, finanziellen Ressourcen und digitalen Möglichkeiten zu einem neuen Geschäftsmodell kombiniert.

Das Auto ist wie bei vielen Premiumherstellern im Zeitalter des Internets der Dinge längst zum vernetzten und mit Sensoren und Kameras ausgerüsteten, fahrenden Computer geworden. Wohin diese Reise am Ende geht, weiß auch Zetsche: Zum autonomen Fahren. Was Jahrzehnte lang als unvorstellbar galt, hat Mercedes-Benz bereits heute umfassend getestet: Mit Erfolg. Auch die Speditionsbranche wird sich dadurch stark verändern. Mit dem Projekt Future Truck 25 hat Daimler gezeigt, wie die Sparte der Nutzfahrzeuge durch eigenständig fahrende LKW revolutioniert wird.

Versprechen und Realität – Was übrig bleibt

Im Buch kommen neben den genannten Personen noch einige weitere Entscheider zu Wort, darunter aus der Versandhandelsbranche (Otto), dem Finanzwesen (Deutscher Sparkassen Verband, Ing-Diba) oder dem Telekommunikationsbereich (Deutsche Telekom). http://beta.dmk-ebusiness.de/

Sie alle im Einzelnen zu beleuchten, würde den Rahmen dieses Blogbeitrags überschreiten. Was zu sagen bleibt: Knop und Becker zeigen, dass Branchen durch die Digitalisierung gewaltigen Veränderungen mit unterschiedlichen Ausprägungen und Herausforderungen ausgesetzt sind. Die Entwicklung verläuft deshalb sehr unterschiedlich. Einige Branchen wurden und werden bereits sehr stark von der digitalen Transformation erfasst, andere stecken noch in den Kinderschuhen. Deutsche Konzerne setzen sich intensiv mit dem Thema auseinander. Denn - auch wenn sie es nicht immer öffentlich zugeben - der Wettbewerb und Druck aus dem Ausland ist immens.

Doch nicht jede Branche bewältigt die Herausforderungen des Wandels gleich gut. Die deutsche Medienbranche beispielsweise hat die Digitalisierung größtenteils verschlafen. Was mit dem Umstieg von CDs auf das MP3-Format begann, setzt sich mit dem Musikbesitz und dem Streaming von Millionen von Titeln als Leasing-Modell fort. In der Automobilbranche, zugegebenermaßen auch einem deutschen Steckenpferd, hingegen gestalten deutsche Autobauer die Zukunft mit und treiben sie durch innovative Technologien intensiv voran.

Werden Deutschlands Manager jetzt also Revolutionäre? Das muss von Branche zu Branche differenziert betrachtet werden. Wie weit die genannten Unternehmen in den einzelnen Branchen bereits sind, lässt sich durch das Buch gut nachvollziehen. Was getan werden muss, liegt auf der Hand. In neue Technologien investieren, Prozesse durch die neuen Möglichkeiten wie die Vernetzung optimieren, Kosten reduzieren und Lieferanten sowie Kunden in die Wertschöpfungskette einbeziehen. Doch die Smart Factory ist nicht das Ende. Die Digitalisierung bietet darüber hinaus weitere Möglichkeiten, wie die Etablierung neuer (disruptiver) Geschäftsmodelle. Große Konzerne wie Daimler sind durch ihre finanziellen Kapazitäten, ihr fundiertes Branchen-Know-how und eine starke Marke zumindest nicht im Nachteil. Mit der rechtzeitigen Implementation und dem Erschließen neuer Geschäftsmodelle können sie einen enormen Nutzen aus der Digitalisierung ziehen.

Wo die Digitalisierung die deutsche Wirtschaft jeweils konkret hinführen wird, bleibt der Gestaltung der jeweiligen Unternehmenslenker vorbehalten. Und sicher: nicht jede Branche bietet das gleiche Revolutionspotential. Doch das digitale Neuland wird mit rasendem Tempo erschlossen und wer zögert, hat meistens nur wenige Chancen, die verlorene Zeit wiedergutzumachen.

In dieser Hinsicht trifft der Titel des Werkes „Digitales Neuland – Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werdenvon Knop und Becker nicht so ganz zu. Denn das „Warum?“ bleibt insgesamt unbeantwortet. Das Buch ist deshalb als ein schöner Report des Status-quo zu verstehen. Zieht man von den durchaus auch werblichen Eigenbeschreibungen der verzeichneten Beispiele das für eine objektive Bewertung Notwendige ab, bleibt zumindest ein guter Überblick mit interessantem Fallstudienaspekt. Damit hebt sich das Buch von den vielen digitalen Ratgebern und To-Do-Listen ab. Möchte man jedoch konkrete Handlungsanweisungen und erwirbt das Buch mit diesem Ziel, wird sich früher oder später Enttäuschung breit machen. Hierfür hätten die Autoren aus den Fallstudien Schlüsse ziehen und auf theoretisches Know-how zurückgreifen müssen. Diese Verbindung von dargestellter Praxis mit verallgemeiner- und übertragbarer Theorie hätte dem Werk gut getan. Doch dazu war wohl im Reigen der Digitalisierungs-Publikationen nicht genug Zeit. Ob auch hier der „First-Mover-Advantage“ gilt, muss schließlich der Leser entscheiden.

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