Die Transformation der Geschäftswelt durch das Digital Business ist in vollem Gange und macht auch (oder insbesondere) vor der Managementwelt keinen Halt. Während in der Softwareentwicklung agile Entwicklungsmethoden wie Scrum schon seit ca. 10 Jahren auf dem Vormarsch sind und mittlerweile zum guten Ton eines jeden softwareentwickelnden Unternehmens gehören, sind die dahinter stehenden und teilweise in die 50er/60er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurückreichenden Managementkonzepte zwar bekannt, deren Digital Business Ableger in der praktischen Managementarbeit aber noch nicht überall angekommen.
Wenn ich von schlanken Prozessen und Managementansätzen spreche, dann meine ich damit eine Entwicklung, die ihren Ursprung bei Taiichi Ohno und Toyota in den 1950er/1960er Jahren hat. Ohno entwickelte ein für die Bedürfnisse von Toyota angepasstes Produktionssystem, welches beispielsweise mit Kanban eine Produktionsablaufsteuerung beinhaltete, deren grundlegendes Pull-Prinzip wir auch heute im Bereich agiler Softwareentwicklung wiederfinden. Beispiele weiterer zentraler Komponenten sind kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) / KAIZEN und eine Produktion „just-in-time“. Soweit bekannt und in jedem guten BWL-Studium ausführlich besprochen. Doch was hat das alles mit den heutigen Herausforderungen in Zeiten der digitalen Transformation zu tun?
Die Digitalisierung verändert - bedingt durch technische Möglichkeiten und zukünftige Potenziale des Internets als zentrale Plattform - das Fundament jedes Unternehmens. Strategie, Struktur, Kultur, Kommunikation und Prozesse von Betrieben werden durch die fortschreitende Digitalisierung einem tiefgreifenden Wandel unterzogen. Wo junge Unternehmen häufig digitale Prozesse schon in der Gründungsphase mitdenken oder von vornherein als „digitales Start-Up“ an den Markt gehen, müssen sich Firmen aus traditionellen Branchen zunehmend den Herausforderungen der digitalen Welt stellen. Dieser Transformationsprozess auf allen unternehmerischen Ebenen sorgt selbst in diesen altbewährten Branchen für teilweise dramatische Umbrüche in den Geschäftsmodellen, indem nicht nur Kommunikations-, sondern auch Produktions- und Serviceprozesse vollständig digitalisiert werden. Dies bedingt eines neuen Verständnisses von Kunden, Geschäftsbeziehungen und Wertschöpfungsketten.
Kern der o.g. Ursprünge aus „Toyota-Zeiten“ und der daraus abgeleiteten Konzepte Lean Development und Lean Management ist die Besinnung auf eine stetige und inkrementelle Entwicklung sowie Verbesserung von Produkten und Prozessen mit dem übergeordneten Ziel, Verschwendung zu vermeiden und durch frühzeitige Integration des Kunden „wertvolle“ Produkte/Dienstleistungen zu erzeugen. Inkrementelle Entwicklung? Verschwendung vermeiden? Integration des Kunden in den Entwicklungsprozess? Diese Prinzipien kennen wir aus SCRUM und dem agilen Manifest. Und hier schließt sich der Kreis: die digitale Transformation ist getrieben von Plattformen, Endgeräten und neuen Ansätzen Software zu entwickeln sowie bereit zu stellen. Wenn wir uns als Unternehmen auf diese Welt einstellen wollen, dann hat dies Auswirkung auf die Art und Weise zu denken und im Unternehmenskontext zu handeln. Das haben auch große Beratungshäuser erkannt und für sich ein neues Beratungsfeld aufgetan.
Agile (Produktions-) Verfahren wie SCRUM und Kanban werden ergänzt um Managementansätze, die auf dem „Lean“-Gedankengut fußen. Nicht ohne Grund stammt der diesbezügliche Megaseller aus dem Digital-Business-Umfeld - „Lean Startup“ - von einem ehemaligen CTO namens Eric Ries. Das Spannende an „Lean Startup“ und den anderen Standardwerken der „Lean Series“ ist, dass sie das Gedankengut des Lean Thinking in eine für die Digital Business Transformation brauchbare Struktur bringen und in ein Rahmenwerk gießen, dass sich praktisch nutzen lässt. Wer einmal einen herkömmlichen Entwicklungszyklus von mehreren Monaten miterlebt hat, in dem das Lastenheft dick, der Ressourceneinsatz beträchtlich, das Feature-Set der Applikation umfangreich, aber der Markterfolg der Anwendung miserabel waren, wird verstehen, warum es agile Denkansätze braucht.
Lean Startup und das auf das Management von UX/UI Designprozessen bezogene Lean UX nutzen kurz gesagt ein minimal funktionsfähiges Produkt (MFP) und sogenannte validierte Lernprozesse als wesentliches Mittel der Ressourcensteuerung. Da gerade innovative Produkte und Dienstleistungen einer hohen Unsicherheit hinsichtlich ihres tatsächlichen Markterfolges ausgesetzt sind, ist der Loop aus Bauen - Testen - Lernen die wesentliche Grundlage einer diesbezüglichen schlanken Entwicklung. Um Verschwendung zu vermeiden, wird kein Lasten-/Pflichtenheft stur umgesetzt, sondern das MFP iterativ und auf Grundlage echten Kundenfeedbacks und messbarer Erfolgskennzahlen weiterentwickelt. Gegenüber einer starren Hierarchieebene aus Produktmanagement, Marketing, Produktion, Kundendienst entstehen crossfunktionale Teams, die alle wesentlichen Aktivitäten im Team planen, durchführen und bewerten. Die Vorteile liegen auf der Hand: direktes Kundenfeedback schon am Anfang der Produktentwicklung erlaubt schnelle Kurskorrekturen, Messbarkeit erzeugt Nachvollziehbarkeit über den Kundennutzen der erzeugt wurde. Effizienz und Effektivität der eingesetzten Ressourcen steigt.
In Deutschland wird oft davon gesprochen, dass wir eine Ingenieurskultur besitzen wie kaum ein anderes Land, aber oftmals daran scheitern dieses Ingenieurswissen in brauchbare Produkte zu übersetzen. Agilität und schlanke Managementmethoden wie Lean Startup sind hier ein Ansatz um diesen Fähigkeiten eine am Kundennutzen orientierte und sonstige Verschwendung vermeidende Innovationskultur zur Seite zu stellen. Das Ergebnis könnte sich sicher sehen lassen.
Wer mehr über Lean Startup, Lean UX, agile Softwareentwicklungsmethoden erfahren will oder Unterstützung beim Management der eigenen Digital Business Transformation benötigt: wir stehen gern beratend und in der Umsetzung zur Verfügung.