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Frühjahr 2021: Neuigkeiten zur digitalen Barrierefreiheit

Eine Frau die Smartphone in der Hand hat. Darauf ist eine Website zu sehen und die Möglichkeiten, sich diese barrierefrei ansehen zu können.

Dass Webangebote ständigen Anpassungen unterliegen und Barrierefreiheit deshalb als Prozess zu verstehen ist, haben wir zuletzt in einem unserer Blogbeiträge schon beschrieben. Damit sind nicht nur redaktionelle oder funktionale Veränderungen gemeint. Auch auf normativer Ebene heißt es für Digitalverantwortliche, am Ball zu bleiben. Wir haben die aktuellen Entwicklungen zusammengefasst und stellen diese - zusammen mit einigen anderen relevanten Neuigkeiten und Links zum barrierefreien Webdesign - nachfolgend im Überblick dar.

BITV-Test mit 92 anstatt 60 Prüfschritten

Die wichtigste Neuerung im Frühjahr 2021 ist eine Veränderung im aktuellen BITV-Test, dem zentralen Prüfmechanismus zur Begutachtung des Grades der Barrierefreiheit eines Webangebots in Deutschland. Mit bisher 60 Prüfschritten war dieser zuletzt im Zuge der Festlegung der BITV 2.0 bereits aktualisiert worden. So wurden nicht nur die Prüfschritte inhaltlich aktualisiert, sondern auch von einem Punkteverfahren auf ein qualitatives Urteil im Sinne einer “Bestanden”-Deklaration umgestellt. Die Novellierung im Mai 2019 erfolgte auch in Hinblick auf geltende Europäische Normen (EN).

Nun kommen 32 weitere Prüfschritte hinzu, welche sich aus den ergänzenden Anlagen der europäischen Norm EN 301 549 (PDF) ableiten und seit 1. März 2021 die Grundlage des aktualisierten und fortan geltenden BITV-Test bilden. Inhaltlich bewegen sich die Neuerungen im wesentlichen in drei zentralen Bereichen:

  • erweiterte Anforderungen an Bewegtbild, Sprachausgabe und sogenannte Zwei-Wege-Sprachkommunikation,
  • Anforderungen an Autorenwerkzeuge, wie bspw. TYPO3 und Neos als Content Management Systeme,
  • weitergehende Anforderungen an Dokumentationen und Hilfestellungen durch den Support des Website-Betreibers.

Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem erweiterten Umfang an Prüfschritten findet sich in einem gut strukturierten Artikel direkt auf der Website des BITV-Tests. Mit diesem vertraute Personen werden zudem eine weitere Veränderung feststellen: die Nummerierung der Prüfschritte hat sich verändert und ist nun insgesamt ebenfalls harmonisiert. Möchten Websitebetreiber zukünftig noch enger an der Weiterentwicklung des BITV-Test mitwirken, kann dies in einem moderierten Prozess direkt auf Github erfolgen. Ein Vorgehen, dass auch bereits zur hier beschriebenen Erweiterung der Prüfschritte genutzt wurde.

Unsere Einschätzung: die Neuerungen sind höchst relevant. Webangebote sollten zeitnah auf die ergänzenden Prüfschritte hin getestet werden. Darüber hinaus bleibt das Grundprinzip aus BITV-Selbstbewertung, entwicklungsbegleitendem Testing und abschließendem BITV-Test mit dem Ziel einer Konformität des Webangebots gemäß BITV 2.0 aber unverändert bestehen.

Referentenentwurf zum Barrierefreiheitsgesetz

Am 2. März erfolgte zudem die Veröffentlichung eines Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen, allgemein auch Barrierefreiheitsgesetz (BFG) genannt. Das Dokument entstammt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und ist öffentlich einsehbar (PDF). Das Ziel des Gesetzes ist die weitergehende Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in Hinblick auf Anforderungen an die Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen. Ziel ist es zudem, die Verfügbarkeit barrierefreier Produkte und Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt zu erhöhen. Zentrale Akteure, wie bspw. der Arbeitskreis Barrierefreiheit des Bitkom e.V. , haben nun Zeit und Gelegenheiten über Stellungnahmen an der weiteren Ausgestaltung des Gesetzes mitzuwirken.

Unsere Einschätzung: die aus unserer Sicht wichtigste Neuerung betrifft die Reichweite der Verpflichtung zur Herstellung barrierefreier Angebote. So enthält der Referentenentwurf derzeit mit dem 28. Juni 2025 ein fixes Datum ab dem Produkte und Dienstleistungen bestimmter Kategorien den Vorgaben der Barrierefreiheit entsprechen müssen. Auch ist der Geltungsbereich, anders als bisher in Deutschland geregelt, erweitert worden. So definiert der Entwurf ganz konkret die betroffenen Akteure als “Dienstleistungserbringer“ wie folgt:

“...jede natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die eine Dienstleistung für Verbraucher erbringt oder anbietet, eine solche Dienstleistung für Verbraucher zu erbringen;...”

Inkludiert wird eine Vielzahl von digitalen Angeboten, insbesondere sogenannte „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“. Neben Ausnahmeregeln für Kleinstunternehmen werden zudem die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit und die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik als Beratungs- und Überwachungsangebote noch stärker verankert.

WCAG 3.0 in Entwicklung

Während also auf europäischer und insbesondere nationaler Ebene noch die aktuell geltenden und auf der WCAG 2.0 basierenden Regelungen in gesetzliche Verpflichtungen überführt und Harmonisierungsanstrengungen unternommen werden, ist seitens des World Wide Web Consortiums (WC3) schon der nächste Schritt in Sicht. Aus dem internationalen Gremium zur Standardisierung der Techniken im World Wide Web gibt es interessante Neuigkeiten zu den kommenden W3C Accessibility Guidelines (WCAG) 3.0. Ein Blogeintrag von Jeanne Spellman, ihres Zeichens “Co-Lead” des WCAG 3.0 Entwicklungsprojektes, gibt detailliert Information zum Arbeitspapier. Darin verlinkt ist zudem eine Google Slide Präsentation, die noch tiefer ins Thema einsteigt und die Hintergründe für die geplanten weitreichenden Anpassungen der WCAG 3.0 aufzeigt.

Unsere Einschätzung: da es sich um eine erste öffentliche Arbeitsversion handelt, sind die daraus resultierenden Konsequenzen für den Moment gering. Wer aber bereits auf internationaler Ebene ein wenig in die Zukunft blicken möchte, kann die eben verlinkten Quellen als fachlichen Ausgangspunkt nutzen.

Interessante Links aus den Medien

Abschließend noch einige interessante Links aus der Netzwelt, in denen digitale Barrierefreiheit im Fokus steht und die unsere Leseempfehlung bekommen haben:

  • Die Online-Ausgabe des Spiegels veröffentlichte zuletzt einen aus unserer Sicht schönen Spezialartikel zu Barrierefreiheit im Netz, der sich besonders durch die innovative Art der Darstellung, aber auch durch seine allgemeine Informationstiefe, auszeichnet.
  • Beim Deutschlandfunk (DLF) nahm man sich zuletzt dem Problem der gendergerechten Sprache aus der Perspektive gehandicapter Personen an. Ein Thema, das viele in der Fachwelt schon länger intensiv beschäftigt.
  • Auf der Website www.newzhook.com (Inhalt in englischer Sprache) gibt es eine Übersicht zu Funktionalitäten die der Verbesserung der Zugänglichkeit von Videokonferenz-Lösungen dienen. In Zeiten von Corona-Pandemie und verstärkter Heimarbeit sind hier sicher brauchbare Hinweise zu finden.
  • Die Technische Universität Dresden hat im Februar 2021 aktualisierte Anleitungen und Broschüren zur Erstellung barrierefreier Dokumente erstellt und diese zur weitergehenden Nutzung öffentlich verfügbar gemacht.
  • Wir haben uns das digitale Angebot der Impfterminvergabe in Sachsen angeschaut und unsere Erkenntnisse aus Sicht der Barrierefreiheit und Nutzerzentrierung in einem Blogbeitrag zusammen gestellt.

Als Dienstleister für CMS-Entwicklung und Barrierefreies Webdesign haben wir in unserem Blogbeitrag "Praxistipps zur Realisierung von Barrierefreiheit bei Webangeboten im öffentlichen Sektor" die wesentlichen Schritte und Rahmenbedingungen zur Realisierung barrierefreier Webangebote beschrieben. Zudem steht ein Whitepaper “Digitalisierung für Alle” zur Verfügung, das umfassend zum Thema der digitalen Barrierefreiheit informiert.

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