Jeff Sutherland ist neben Ken Schwaber einer der Scrum-Urväter. Sein im September letzten Jahres erschienenes Buch "Scrum: The Art of Doing Twice the Work in Half the Time" lief deshalb nicht unerwartet in kürzester Zeit in die Top-100-Listen der Managementliteratur.
Jeff Sutherland, neben Ken Schwaber einer der Scrum-Urväter und noch dazu ein Mitinitiator des "Agile Manifesto", ist ja trotz (oder gerade wegen) seines fortgeschrittenen Alters ein Aktivposten und einer der renommiertesten Speaker im Agil-Umfeld. Sein im September letzten Jahres erschienenes Buch "Scrum: The Art of Doing Twice the Work in Half the Time" lief deshalb nicht unerwartet in kürzester Zeit in die Top-100-Listen der Managementliteratur. Doch was kann er uns noch neues erzählen zu Scrum und Co.? Eine weitere Einführung in Rollen, Zeremonien und Rahmenfaktoren? Noch ein "How-to-Scrum“-Werk?
Glücklicherweise besinnt sich Sutherland in seinem Buch auf das, was ihn im Scrum-Umfeld so einzigartig macht: er erzählt in Erfahrungsberichten vom Beginn und Werden, webt wissenschaftlich Fundiertes und nette Anekdoten zu einem kurzweiligen und manchmal auch provokativen Ganzen. Dabei knüpft er durchaus bekannte Verbindung zur japanischen Lean-Philosophie aber stellt bisher auch weniger offensichtliche Beziehungen zu seinen persönlichen Erfahrungen in Westpoint, als ehemaliger Pilot im Koreakrieg und seiner Zeit als Wissenschaftler her. Er zeigt die Entstehungsgeschichte von Scrum, die eben nicht primär IT-Historie ist, sondern eine Kombination von Best-Practices unterschiedlichster Disziplinen und wohl nur deshalb entstehen konnte, weil Sutherland ein unermüdlicher Forscher und Optimierer ist.
Das alles wird vom ihm in einen glaubwürdigen Rahmen gepackt: vor allem, weil unzählige Erfahrungsgeschichten und Projektberichte Sutherlands zeigen, dass Scrum und agiles Denken tatsächlich helfen, reale Herausforderungen zu lösen. Und das eben nicht nur im bekannten High-Tech-Umfeld. Auch auf einer allgemeinen branchenunabhängigen Ebene der Produkt-und Projektentwicklung ist Scrum angekommen. Interessanter Weise legt Sutherland zudem immer wieder auch erheblichen Wert auf die Performanceoptimierung von Scrum-Teams. "Twice the work in half the time" ist dann mehr ernstgemeintes Ziel als bloße Behauptung. High-Performance durch kontinuierliche Optimierung ein integraler Bestandteil dessen, was Scrum ausmachen soll. Und hier schafft es Sutherland dann, Scrum aus der IT-Ecke zu holen und auf eine strategische Managementebene zu heben. Scrum ist nun nachvollziehbar mehr als ein Vorgehen zur reinen Projektrealisierung, vielmehr ein universelles Managementwerkzeug und Denkgerüst zur Entwicklung innovativer Produkte (Services) und Veränderung organisationaler Strukturen. Er weitet mit "Scrum: The Art of Doing Twice the Work in Half the Time" den Blick auf Scrum gegenüber anderer Standardwerke und sorgt für den Unterbau an Argumenten, die heute noch oftmals nötig sind, um im Managementkreis Motivation und Verständnis zu erzeugen, damit herkömmliche Methoden durch agile Verfahren ersetzt werden.
Das Buch ist an mancher Stelle auch ein biografisches Werk und eben diese Einblicke machen es wertvoll für den Leser. Kombiniert mit Zahlen, Fakten und Beispielen verfolgt Sutherland stringent das Ziel, die Welt der Arbeit zu revolutionieren. Wenn man etwas an "Scrum: The Art of Doing Twice the Work in Half the Time" kritisieren möchte, dann vielleicht dass Sutherland neben allen glaubwürdigen Erfolgsgeschichten zu sehr im Überzeugungsmodus ist. Größere kritische Anmerkungen oder gar längere Tatsachenberichte über gescheiterte Implementierungsversuche sucht man vergebens. Jedoch kommt das Buch niemals platt daher. Sutherland ist zu sehr Wissenschaftler, als dass er der Versuchung erliegen könnte, einer getätigten Behauptung keine Fundierung zur Seite zu stellen.
Insgesamt ist das Buch deshalb uneingeschränkt zu empfehlen und zwar nicht primär zur Vorbereitung auf Zertifizierungsaktivitäten, sondern als leichtgewichtiger - aber bei aller Leichtigkeit durchaus stichhaltiger - Einstieg. Gerade Personen, die nicht täglich im Maschinenraum der Digitalisierung stehen, können hier interessante Einblicke und Hinweise auf praktische Lösungswege organisationaler Herausforderungen erhalten. Für Unternehmen, welche die digitale Transformation ernsthaft angehen möchten, ist Sutherlands letzte Buchveröffentlichung damit ein unverzichtbarer Beitrag und als Einstieg besser geeignet als jeder Scrum Guide.