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Praxistipps für die digitale Barrierefreiheit - Teil 1 - gesetzliche Grundlagen

Marktplatz mit großem Brunnen im Vordergrund und vielen Menschen die über den Platz schlendern.

Digitale Inklusion bedeutet, das Web und andere digitale Technologien für alle, die sie nutzen möchten, barrierefrei zu gestalten. Obwohl der Begriff eine weitreichende Bedeutung hat, sollte Ihre Strategie zur digitalen Inklusion mit der Barrierefreiheit im Internet beginnen. 

Mit einem barrierefreien Webdesign machen Sie Ihr Webangebot für eine breite Gesellschaftsschicht nutzbar. Alle Besucher Ihrer Website sollten – unabhängig von ihren Fähigkeiten – die gleichen Erfahrungen auf Ihrer Website machen können: bei der Recherche von Informationen, beim Herunterladen von Dokumenten oder beim Senden von Anfragen. Oder kurz gesagt: Digitale Dienstleistungen müssen für alle Besucher zugänglich und gut benutzbar sein.

Zu viele Organisationen glauben, dass es bei der Barrierefreiheit nur darum geht, ein bestimmtes Maß an Konformität zu erreichen, wie z. B. eine bestimmte Stufe der Barrierefreiheits-Richtlinien. Dies mag zwar ein guter Ausgangspunkt sein, sollte aber nicht Ihr eigentliches Ziel darstellen. Vielmehr können solche Anforderungen als Motivation dienen, sich Gedanken darüber zu machen, wie man ein inklusives Website-Erlebnis schaffen kann, das wirklich alle Nutzer einschließt.  

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus unserem Leitfaden zur digitalen Barrierefreiheit in öffentlichen Einrichtungen. Der kostenlose Leitfaden liefert Betreibern von Webangeboten im öffentlichen Sektor, aber auch Organisationen aus der Privatwirtschaft viele praktische Vorschlägen, wie diese digitale Barrierefreiheit in ihrer jeweiligen Institution anpacken können und damit Barrieren aus dem Weg räumen. Laden Sie sich den vollständigen Ratgeber hier kostenlos herunter: www.dmk-ebusiness.de/downloads/leitfaden-digitale-barrierefreiheit

Anforderungen an digitale Barrierefreiheit

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen, unabhängig ihrer benutzten Hardware, Software, Sprache, Kultur, ihrem Ort sowie ihren physischen und kognitiven Fähigkeiten, Webangebote wahrnehmen, verstehen, über sie navigieren und mit ihnen interagieren können. Die gesetzlichen Grundlagen im deutschsprachigen Raum richten sich dabei im wesentlichen nach den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), den internationalen Standards des World Wide Web Consortiums (W3C). Das W3C formuliert in seinen Anlagen eine Vielzahl von Anforderungen, an denen Webentwickler sich orientieren können, um eine barrierefreie Nutzung zu ermöglichen. 

Im Zentrum stehen dabei die vier Grundsätze:

Wahrnehmbarkeit - Die Informationen und Komponenten der Benutzerschnittstelle sind so darzustellen, dass sie von den Nutzerinnen und Nutzern wahrgenommen werden können.

Bedienbarkeit - Die Komponenten der Benutzerschnittstelle und die Navigation müssen bedient werden können. 

Verständlichkeit - Die Informationen und die Bedienung der Benutzerschnittstelle müssen verständlich sein. 

Robustheit - Inhalte müssen so robust sein, dass sie von möglichst allen Benutzeragenten, einschließlich assistiver Technologien, zuverlässig interpretiert werden können.

Gesetzliche Grundlagen im deutschsprachigen Raum

Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU)

Für öffentliche Einrichtungen in der Europäischen Union gilt die Richtlinie 2016/2102. 

Diese gibt folgende Fristen vor:

  • Alle neuen Websites, die nach dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden, sollten der Richtlinie bereits entsprechen und über eine Konformitätserklärung zur digitalen Barrierefreiheit verfügen.
  • Alle älteren Websites, die vor dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden, müssen der Richtlinie seit dem 23. September 2020 entsprechen.
  • Alle mobilen Anwendungen (Apps) müssen der Richtlinie seit dem 23. Juni 2021 entsprechen.

Die konkrete Umsetzung dieser Richtlinien liegt bei den einzelnen Mitgliedstaaten. Nachfolgend haben wir  die deutschen und österreichischen Grundlagen aus Perspektive zweier EU-Mitgliedsstaaten sowie die Regelungen in der Schweiz für Sie zusammengefasst.

Deutschland

Mit Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) und der Barrierefreien Informationstechnik Verordnung (BITV) im Jahre 2002 wurden in Deutschland die ersten Weichen zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gestellt. Zuletzt trat am 14. Juli 2018 die überarbeitete Fassung des BGG zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/2102 in Kraft,  auf dessen Grundlage am 25. Mai 2019 die angepasste Version der BITV 2.0 verabschiedet wurde. In Zukunft werden weitergehende Verpflichtungen mit dem im Mai 2021 verabschiedeten Barrierefreiheitsstärkungsgesetz entstehen.

Österreich

(Digitale) Barrierefreiheit ist in Österreich an vielen Stellen gesetzlich verankert: Neben der Bundesverfassung Artikel 7 (1), dem Antidiskriminierungsgesetz, dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) §6 (5) sowie dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz §17a, dem Zustellgesetz § 29 (7) und dem e-Government Gesetz §1 (3), definiert vor allem das Web-Zugänglichkeits-Gesetz (WZG) §1 (1) Barrierefreiheitsanforderungen für Websites und mobile Anwendungen.  Nach dieser ausführlichen Gesetzeslage sind in Österreich Verwaltung und Behörden des Bundes (auch bundesnahe Organisationen); Verwaltung und Behörden der Bundesländer (auch bundesländernahe Organisationen); Zusteller laut e-Government-Gesetz; Unternehmen, die Güter verkaufen bzw. Dienstleistungen anbieten, „die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“; sowie Förderungsnehmer von Bundesförderungen zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet. Hierbei wird immer von einer Konformität gemäß WCAG 2.1 AA ausgegangen.

Schweiz

Als Nicht-Mitglied der Europäischen Union unterliegt die Schweiz nicht der Richtlinie 2016/2102, dennoch gibt es auch hier ähnliche Vorschriften für öffentliche Einrichtungen: 

Seit dem 01.01.2004 ist das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) im Zusammenhang mit der Behindertengleichstellungsverordnung (BehiV) in der Schweiz in Kraft. Nach Art. 10 BehiV müssen digitale Angebote des Bundes so gestaltet sein, dass Menschen mit Behinderungen diese barrierefrei nutzen können. Die „P028 – Richtlinien des Bundes für die Gestaltung von barrierefreien Internetangeboten“ gelten für die zentrale Bundesverwaltung. Die Bundeskanzlei empfiehlt jedoch den dezentralen Verwaltungseinheiten, die Richtlinie analog zu übernehmen. 

Pflicht zur Konformitätserklärung

Ihre Erklärung zur Barrierefreiheit informiert die Öffentlichkeit darüber, wie barrierefrei Ihre Website ist. Eine solche Erklärung muss spätestens seit dem 23. September 2020 auf Ihrer Website veröffentlicht sein. Artikel 7 der EU-Richtlinie 2102 umreißt die Mindestanforderungen an den Inhalt Ihrer Erklärung zur Barrierefreiheit; möglicherweise weichen die Anforderungen in Ihrem Land jedoch davon ab, weswegen Sie sich auf jeden Fall mit ihnen vertraut machen sollten.  

Ihre Konformitätserklärung ist eine Vorschrift im Rahmen der Richtlinie, dient Ihnen aber auch als ideale Gelegenheit, Ihre Vorstellungen von einer barrierefreien Website innerhalb Ihrer Einrichtung zu kommunizieren.

Ihre Erklärung sollte folgende Punkte abdecken:

  • Ob Ihre Website „vollständig“, „teilweise“ oder „nicht“ den Standards für digitale Barrierefreiheit entspricht.
  • Welche Bereiche Ihrer Website den Standards für digitale Barrierefreiheit nicht entsprechen und warum. Zum Beispiel, weil sie außerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie liegen oder ihre entsprechende Änderung eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würde.
  • Wie Nutzer Alternativen für Inhalte erhalten können, die für sie nicht zugänglich sind.
  • Wie man Sie zwecks Meldung von Problemen der Barrierefreiheit kontaktieren kann. Im Zusammenhang hiermit müssen Sie auch einen Link zu einer staatlichen Website angeben, die Nutzer aufsuchen können, wenn sie mit Ihrer Reaktion nicht zufrieden sind.

Aus Ihrer Erklärung muss klar hervorgehen, auf welches Maß an Barrierefreiheit Ihre Einrichtung abzielt. In den Web Content Accessibility Guidelines, welche den internationalen Standard zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten markieren,  wurden hierfür die Stufen A, AA und AAA eingeführt, welche die Auswirkungen auf das Design Ihrer Website widerspiegeln.

  • Stufe A – geringe Auswirkungen
  • Stufe AA – mittlere Auswirkungen
  • Stufe AAA – hohe Auswirkungen

Beachten Sie, dass das Maß an Konformität für Ihre Website als Ganzes gilt. Wenn Sie also wissen, dass es einzelne Seiten in Ihrem Webangebot gibt, die den Standards für Barrierefreiheit realistischerweise nicht entsprechen können, sollten Sie Ihre Stufe entsprechend wählen. Denken Sie daran, dass Sie Ihre Erklärung zur Barrierefreiheit regelmäßig prüfen und aktualisieren müssen, damit sie Ihre Fortschritte widerspiegelt.                  

Eine Zertifizierung ist kein Muss

Auch wenn eine Pflicht zur Konformitätserklärung für den öffentlichen Raum besteht, so ist eine Zertifizierung von Webangeboten hinsichtlich der digitalen Barrierefreiheit nicht verpflichtend. Auch in der Praxis können wir immer wieder feststellen, dass sich Kunden aus dem öffentlichen Sektor gegen eine Prüfung und Zertifizierung entscheiden. Bei einem aktuellen Projekt mit der Universität Leipzig wurde zu Beginn ein BITV-Selbsttest durchgeführt, mit dem erklärten Ziel, die Website zertifizieren zu lassen. Im Zuge der Optimierung des Portals erweiterten wir die Palette an Prüfmechanismen um eine Siteimprove-Testabdeckung, sowie eine BIKOSAX-Kurzanalyse - mit deutlich spür- und sichtbarem Erfolg. Daraus ergab sich dann schließlich die Entscheidung, von einer Zertifizierung Abstand zu nehmen und die damit verbundenen Kosten stattdessen in die weitere, langfristig ausgelegte Pflege und Optimierung des Portals zu investieren.

Mehr zum Thema

Weitere Praxistipps zum Thema Digitale Barrierefreiheit finden sie in unserem gleichnamigen Leitfaden. Darunter noch Antworten auf folgende Fragen: 

  • Wie sollten Webangebote barrierefrei geplant werden?
  • Welche Expert:Innen werden im Team für das Projekt Barrierefreiheit benötigt?
  • Was sind die wichtigsten Schritte, um langfristig die digitale Barrierefreiheit sicherzustellen?

Laden Sie sich den vollständigen Ratgeber hier kostenlos herunter: www.dmk-ebusiness.de/downloads/leitfaden-digitale-barrierefreiheit

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